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Vor den Erfolg stellten die Götter die Armut
Vom Pizzabäcker zum Countertenor
Gerne ein Bass geworden
Gerson Sales wollte so gerne tief singen - und wurde Countertenor

Als Gast am Opernhaus war er in "Harvey Milk" zu hören. Mit einer Paraderolle der Countertenöre, Glucks "Orpheus", reist er zunächst nach Taipeh, singt sie im Oktober im Dortmunder Opernhaus. Dass er über die "weiblichen" Stimmlagen Mezzosopran und sogar Sopran - eine ganz seltene Begabung - verfügt, fand er zunächst "peinlich". "Ich hatte Angst davor, meine männliche Stimme zu verlieren." Seit Händels Zeiten, in denen Jungen kastriert wurden, um ihre hohe Stimme zu erhalten, ist der Countertenor arg aus der Mode gekommen. Über Jahrhunderte übernahmen Mezzosopranistinnen die Partien. Inzwischen tauchen alte Opern wieder häufiger auf den Spielplänen auf, und auch zeitgenössische Komponisten entdecken diese "ätherische" Stimmlage wieder.
Gerson L. Sales studierte zunächst in Rio de Janeiro Klavier und Gesang. Sein Lehrer befand, nur in Europa könne der junge Sänger weiterkommen. Er ging nach Mailand. Zum Studieren kam er kaum, musste er sich doch seinen Lebensunterhalt verdienen. "Ich habe Pizza gebacken, Wohnungen gestrichen, Brot ausgeliefert, alte Leute zum Arzt chauffiert - und in einer Kirche gewohnt, die armen Leuten zur Verfügung gestellt wurde." Gesungen hat er bei Hochzeiten (für Geld) und in einem zwölfstimmigen Chor, der Renaissance-Musik machte (aus Spaß). Nach sieben Monaten schickte ihn seine Gesanglehrerin "nach Norden". Denn sein Tenor hatte nicht die Wärme, die in Italien gefragt ist.
Weil er einen Regie-Assistenten aus Frankfurt kennen gelernt hatte, ging's in die Mainmetropole. "Ich hatte nur Geld für einen Monat." Und wieder jobbte er, diesmal in der Küche eines italienischen Restaurants.
Die Wende kam mit einem Vorsingen in Hagen. Er wurde als zweiter Tenor für den Opernchor engagiert. "Mein erster offizieller Job als Sänger." Und endlich fand er einen Spezialisten für seine Stimmlage - den Countertenor und Gesangsprofessor Philipp Langshaw. Das war vor vier Jahren.
Als "Xerxes" ist Sales inzwischen gefragt, aber er träumt von Rollen, "die noch kein Counter gesungen hat" - Octavian oder Cherubino zum Beispiel.

Quelle: WAZ, 5. Januar 1998; Verfasser: wie


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Hagen.
Ein schlanker, junger Mann steht auf der Opernbühne. Wenn er singt, erklingt ein makelloser Sopran. Normalerweise singen Countertenöre Alt. Doch Gerson Luiz Sales fühlt sich in den höchsten Regionen am wohlsten. Der 31jährige Brasilianer singt seit knapp vier Jahren im Hagener Opernchor.
In den "Meistersingern" oder in Webers "Silvana" kommt sein seltenes Talent nicht zum Zuge. Sales ist als Tenor engagiert. "In Brasilien hatten mir schon einige Leute gesagt, sie hätten in meiner Stimme einen Sopran gehört", erzählt er. "Aber ich fürchtete, das hohe Singen würde sich auf meine normale Sprechstimme auswirken." Zum Spaß sang er in der Pause eines Sommerkurses im Falsett. Der Musikprofessor und Sänger Reinhard Leisenheimer hörte das und war begeistert. Er vermittelte Sales an seinen Kollegen Philip Langshaw, ein Experte für Countertenöre. "Ich hatte das Gefühl, endlich nach Hause zu kommen", sagt Sales. "Countertenor zu singen ist für mich wie ein Schuh, der passt."
Der Sänger aus Rio de Janeiro hat hart kämpfen müssen. In Brasilien gibt es nur wenig Opernhäuser, deshalb kam er nach Europa. Ein Jahr lang schlug er sich in Mailand als Pizzabäcker und Kellner durch, putzte Wohnungen und sang auf Kochzeiten. Parallel nahm er Unterricht, trat in Kirchen und Konzerten auf, bekam dafür aber zumeist keine Gage. Nach einer Ablehnung in Frankfurt brachte das Vorsingen für den Hagener Chor das ersehnte Erstengagement. "Ich bin Intendant Pietzsch unheimlich dankbar", schwärmt Sales. "Er hat mich zwei Wochen vor der Sommerpause eingestellt."
Peter Pietzsch zeigte auch Verständnis für die Solo-Aktivitäten seines außergewöhnlichen Chorsängers. Als der Dortmunder Intendant John Dew für die Oper "Harvey Milk" einen Countertenor in Sopranlage suchte, fand er auf der ganzen Welt zwei: einen in Australien und Gerson Luiz Sales in Hagen. Dew bot dem Brasilianer sogar eine Stelle im Dortmunder Chor an. Doch der lehnte ab: "Es war eine Ehre, aber das Theater Hagen ist wie eine große Familie. Da geht man nicht so einfach weg." Sales hat nun Angebote aus Köln und Koblenz bekommen, beides Hauptrollen. Annehmen will er sie nur, wenn sie sich mit Hagen vereinbaren lassen. Am 28. April ist Sales noch einmal in "Harvey Milk" im Opernhaus Dortmund zu hören.

Quelle: Westfalenpost am 12. April 1996; Verfasser: Stefan Keim


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Detmold. "Er hat viel Körper in der Stimme und er bewegt sich auf der Bühne wie Musik - deshalb freuen wir unus sehr, dass wir ihn verpflichten konnten", sagt Elisabeth Wirtz, Dramaturgin am Landestheater Detmold, über den Countertenor Gerson Luiz Sales. Der 35-jährige Brasilianer singt in Henry Purcells Oper "King Arthur" die Partie des "Philidel". LZ-Redakteurin Sabine Flamme-Brüne traf ihn am Dienstagabend vor einer Probe.

? Herr Sales, was ist denn eigentlich ein Countertenor?
Sales: Ein Mann, der mit einer hohen Stimme singt, um es ganz einfach auszudrücken. Countertenor ist die englische Bezeichnung für eine Männerstimme, deren Umfang und Klang der weiblichen Alt- oder Sopranstimme entspricht. Dieser spezielle Klang entsteht durch eine Mischung aus Kopf- und Bruststimme. Jeder Mann hat eine Falsettstimme, die man ausbilden kann. Für mich ist meine Counter-Stimme meine "natürliche" Singstimme. Das hat etwas mit der Länge der Stimmlippen zu tun, die bei mir etwas ausgeprägter sind als bei anderen.
? Kann jeder Sänger ein Countertenor werden?
Sales: Ich denke, das ist erlernbar, so wie es erlernbar ist, Maler zu werden. Aber man muss auch Talent haben. Und man muss eine spezielle Ausbildung zum Counter durchlaufen.
? Wie sind Sie dazu gekommen, Countertenor zu werden?
Sales: Ich habe als Tenor angefangen, und zwölf Jahre lang als Tenor gesungen. Am liebsten wäre ich ein Bass geworden (lacht). Ich habe im Chor am Theater in Hagen gesungen und fühlte mich in meinen Entwicklungsmöglichkeiten als Tenor begrenzt. Irgendwie ging es nicht weiter. Und da mir bereits viele Leute gesagt hatten, dass ich eigentlich ein Counter sei, habe ich angefangen, diese Hinweise ernst zu nehmen, mich als Counter ausbilden zu lassen. Es war eine überraschende Erfahrung - und genau die richtige Entscheidung. Mittlerweile arbeite ich seit vier Jahren an der Entwicklung meiner Stimme, seit drei Jahren singe ich auf der Bühne Counter-Partien.
? Sie sind also ganz auf Counter-Partien festgelegt. Gibt es denn da überhaupt genug Rollen?
Sales: Das Angebot bewegt sich hauptsächlich zwischen Werken der Barockzeit oder aber ganz modernen Werken. Reine Counter-Rollen gibt es tatsächlich nicht ganz so viele, aber man könnte auch einige Rollen, die meistens mit weiblichen Sopranen besetzt werden mit einem Counter besetzen. Beispielsweise den "Cherubino" in Mozarts "Die Hochzeit des Figaro". Aber ich kann eigentlich nicht über Arbeitsmangel klagen.
? Ist das Counter-Singen eigentlich anstrengender für die Stimme als das Singen in der Tenorlage?
Sales: Für mich ist es weniger anstrengend als das Singen mit meiner Tenorstimme. Die zu beherrschen, fällt mir tatsächlich schwerer, was sicher daran liegt, dass die Counter-Stimme meine eigentliche Stimme ist.
? Mit welchem Vorurteil hat ein Counter am meisten zu kämpfen?
Sales: Die Leute sind am Anfang immer sehr erstaunt, wenn sie noch nie einen Counter gehört haben. Vielleicht fragen sie sich, ob das da vorne auf der Bühne ein Kastrat ist, aber mich fragen sie das nicht (lacht). Aber das würde ich nur als witzige Begebenheit am Rande sehen. Nicht als Problem, mit dem man zu kämpfen hat.
? In Purcells "King Arthur" singen Sie die Rolle des "Philidel". Ist das eine schwierige Partie?
Sales: Philidel ist ein Luftgeist, und ich habe unheimlich viel Spaß daran, einen Geist zu spielen, zumal dieser ein Zwischenwesen und ständig in Bewegung ist. Man weiß nicht genau, ob er Mann oder Frau ist, ob er gut oder böse ist. Musikalisch ist diese Partie schon eine Herausforderung. Ich muss ganz schön in Schwung sein, um die Partie meistern zu können. Das heißt, dass ich mich gründlich vorbereiten, mich sehr gut einsingen muss, denn ich muss in einer sehr hohen Lage singen, und das ist schon anstrengend. Erstmals werdeich hier auch mit meiner Gesangstimme sprechen, was völlig neu ist für mich.
Wer neugierig darauf geworden ist, wie der Countertenor klingt, muss nicht bis zur Premiere von "King Arthur" am 14. November warten, sondern kann Sales bereits am Sonntag, 7. November, um 11.15 Uhr in der Einführungsmatinee auf der Studiobühne des Grabbe-Hauses live erleben. Der Eintritt ist frei.

Quelle: Lippische Landeszeitung, 04. November 1999; Verfasserin: Susanne Flamme-Brüne

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Hagen. (doro) Er steht vor einer vielversprechenden Karriere: Gerson Sales, seit 1992 im Theaterchor engagiert, hat ein seltenes Stimmfach. Er ist Countertenor.

Dass er die Begabung hat, ungewöhnlich hoch zu singen, nämlich eine Oktave höher als ein "normaler" Tenor, wollte der gebürtige Brasilianer lange Zeit nicht wahrhaben. Sein Traum war es, ganz tief zu singen, und davor wollte er Pianist werden. Also studierte er in Rio de Janeiro Klavier als Hauptfach und Gesang. In Kursen erhielt er außerdem Schauspielunterricht.
Weil ein junger Sänger mehr Chancen in Europa hat, ging Gerson Sales nach Italien. Dort schlug er sich als Barmann oder Pizzabäcker durch und sang in einem Ensemble für Renaissancemusik.
Die nächste Station war Frankfurt. Dort traf er den ehemaligen Hagener Chordirektor André Weiss, der ihn nach Hagen schickte. In der Volmestadt klappte es endlich: Gerson Sales wurde als 2. Chortenor engagiert. "Es war ein Paradies, ich konnte davon leben", freut er sich noch heute.
Doch der junge Sänger wollte Solist werden. Endlich hörte er auf seine Lehrer und begann vor fünf Jahren mit der Ausbildung zum Countertenor. "Ohne das Verständnis von Intendant Pietzsch und der Kollegen hätte ich die Chance nicht gehabt", sagt er. Wie gefragt das Stimmfach ist, wurde Sales schnell klar: Seit drei Jahren gastiert er in Detmold, Bonn, Köln oder Dortmund. Immer mehr setzt sich an den Theatern die Praxis durch, die Kastraten-Partien in Barockopern im Original singen zu lassen.
In Hagen blühte das Talent des Sängers lange im Verborgenen und wurde erst für die Händel-Oper "Deldamia" hervorgeholt. In dieser Oper steht Gerson Sales als Odysseus heute Abend zum letzten Mal auf der Hagener Bühne.
Ab Herbst ist er für ein Jahr an die Dortmunder Oper engagiert. Danach will Sales freiberuflich tätig sein. Er wünscht sich, "Rollen zu singen, die noch kein Mann gesungen hat": den Octavian im "Rosenkavalier" oder den Cherubin in "Figaros Hochzeit". Doch dafür braucht er einen "Mutigen Regisseur".

Quelle: Westfälische Rundschau, 13. Juni 1998; Verfasser: doro


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